Abtreibung gilt auch in Deutschland gemäß § 218 Strafgesetzbuch als Straftat: „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Sie sind nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei: Innerhalb der ersten 12 Wochen einer Schwangerschaft kann die schwangere Person eine Abtreibung vornehmen lassen – allerdings muss sie zunächst eine staatlich anerkannte „Schwangerschaftskonfliktberatung“ aufsuchen und eine anschließende Wartezeit von 3 Tagen einhalten, die sogar zu einer Überschreitung der 12-Wochenfrist führen kann.
Diese Zwangsberatung kann ganz unterschiedlich ablaufen, generell muss sie ergebnisoffen gestaltet sein. Es gibt aber immer wieder „Beratungsstellen“, die die schwangere Person unter Druck setzen und deutlich von einer Abtreibung abraten. Eine Abtreibung in den ersten 12 Wochen ist ohne erzwungene Beratung möglich, wenn die Schwangerschaft nach ärztlicher Erkenntnis durch eine Vergewaltigung entstanden ist, dies wird auch kriminologische Indikation genannt.
Eine Abtreibung ist auch nach der 12ten Woche möglich, wenn mit einer schwerwiegenden körperlichen oder seelischen Gefahr für die schwangere Person etwa durch „erhebliche gesundheitliche Schäden des Kindes“ zu rechnen ist, die sogenannte medizinische Indikation. Allerdings darf ein Schwangerschaftsabbruch*nach der ersten beschriebenen Variante (Beratungspflicht), nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht als rechtmäßig bezeichnet werden. Im Klartext heißt das: diese Möglichkeit ist nur straffrei und nicht wie kriminologische und medizinische Indikation legal.
Seit 1871 unterdrückt der § 218 die Selbstbestimmung schwangerer Personen. Spätere Regelungen haben Schwangerschaftsabbrüche zwar deutlich erleichtert, aber nie den Straftatbestand aufgehoben. Dadurch sind Abbrüche nach wie vor nur unter Schikanen möglich, und schwangeren Personen wird nach wie vor das bedingungslose Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper verwehrt. Seit ein paar Jahren wird nicht mehr mit der körperlichen und seelischen Gesundheit des Kindes, sondern der schwangeren Person argumentiert, um jederzeit Abbrüche bei eventueller Behinderung des Kindes zu legitimieren. Das Ergebnis ist das gleiche: die Diskriminierung von behinderten Menschen. Die modernen medizinischen Möglichkeiten bei vorgeburtlichen Untersuchungen, wie z.B. einer breit eingesetzten Pränataldiagnostik (PND), in Verbindung mit einer verwertungsorientierten Gesellschaft, setzen die schwangere Person unter Druck für „gesunden“ Nachwuchs zu sorgen.
Ein erschwerter Zugang zu Informationen ebnet dabei den Weg für verunsichernde und tendenziöse Beratungen. Zudem wird so behinderten Menschen zusätzlich das Gefühl vermittelt, nicht erwünscht zu sein. Dabei sollte auch beachtet werden, dass nicht alle Menschen gleichermaßen von der deutschen Regelung Gebrauch machen können. Illegalisierte und geflüchtete Menschen haben in Deutschland zwar einen Zugang zu medizinischer Nothilfe. Geflüchtete Menschen, die gemeldet sind, müssen allerdings jede Behandlung von einer staatlichen Angestellten bewilligen lassen. Illegalisierte Menschen müssen damit rechnen, nach einer Behandlung abgeschoben zu werden.
Um die Folgen der Kriminalisierung von Abtreibungen deutlich zu machen: In den Ländern, in denen Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert sind bzw. der Zugang zu legalen Abtreibungen massiv erschwert wird, nehmen schwangere Personen Abbrüche meist illegal vor. Dies bedeutet, dass die Abbrüche oft sehr teuer sind und unter schlechten medizinischen und hygienischen Umständen durchgeführt werden, oft durch Laien. Auch notwendige Nachbehandlungen im Fall von Komplikationen werden erschwert, da die betroffenen Personen mit einer Strafverfolgung zu rechnen haben. Dies birgt ein hohes gesundheitliches Risiko für die schwangeren Personen und kann sogar zum Tod führen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sterben weltweit jährlich etwa 47.000 Menschen bei illegalisierten Schwangerschaftsabbrüchen (Angaben von 2008).