„Niemand ist verpflichtet, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken“, lautet es im Schwangerschaftskonfliktgesetz. Auch müssen Ärzt*innen keine Begründung dafür geben, weshalb sie Abbrüche verweigern. Nicht jede Person hat also die Möglichkeit, in der Nähe ihres Wohnortes Ärzt*innen zu finden. Daher kann es insbesondere in ländlichen Gebieten passieren, dass für eine Abtreibung bis zu 150 Kilometer gefahren werden muss, um die ärztliche Behandlung zu bekommen.
Zwar sind die Länder laut Schwangerschaftskonfliktgesetz verpflichtet ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, aber eine sichere Kontrolle darüber gibt es nicht. So bieten christliche Kliniken Abtreibungen häufig nicht an. Zum Beispiel in 3 von 7 Regierungsbezirken in Bayern oder auch in Niedersachsen, wo es 5 Landkreise ohne Gynäkolog*innen, die abtreiben, gibt. In Nordrhein-Westfalen finden nur 10% der Abtreibungen in Kliniken statt. Selbst in Städten wie Augsburg, Fulda oder Trier beträgt die zu überwindende Distanz mehr als 100 Kilometer. Grund dafür ist auch, dass das Bundesverfassungsgericht 1993 urteilte, eine Tagesreise bis zur ärztlichen Behandlung sei zumutbar. Zudem steht in den meisten Fällen nur eine bestimmte Behandlungsmethode für den Schwangerschaftsabbruch zur Verfügung und die schwangere Person darf die Methode nicht selbst wählen. Muss sie die Abtreibung unter Vollnarkose vornehmen lassen, geht oft die Pflicht einer Begleitperson für den Rückweg einher. Für die Betroffenen bedeutet das zusätzliche Fahrtkosten und die Notwendigkeit, andere Personen über die Abtreibung zu informieren. Umso mehr, da die meisten Abtreibenden bereits Kinder haben und sich zudem um deren Betreuung kümmern müssen. Damit wird das Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Person stark beeinträchtigt.
Für einige Menschen wird der Zugang zu Informationen zu eigenen Rechten, Beratung und Ärzt*innen durch die Unterbringung in isolierten Lagern sowie durch fehlende finanzielle Mittel und Dolmetscher*innen obendrein eingeschränkt. Wer der Residenzpflicht unterliegt und den zugewiesenen Landkreis bzw. die Stadt wegen einer Beratungsstelle oder Ärzt*in verlassen möchte, muss zunächst eine Erlaubnis bei der örtlichen Behörde einholen. Neben dem Eingriff in die Bewegungsfreiheit bedeutet das zusätzliche Schikane.
Insgesamt wird die Situation darüber hinaus dadurch erschwert, dass es keinen vollständigen Überblick gibt, wie viele Ärzt*innen in Deutschland an welchen Orten Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Das liegt auch daran, dass Ärzt*innen aufgrund des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch nicht einfach selbst darüber informieren dürfen, ob sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Denn weil diese Information als Straftat unter die verbotene „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ fällt, müssen Ärzt*innen mit einer Gefängnis- oder Geldstrafe rechnen. Somit werden nicht nur schwangere Personen in ihrem Informations- und Selbstbestimmungsrecht kriminalisiert, sondern auch Ärzt*innen.