Kein Wunsch – sondern Recht. Zum neuen Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz

Seit einem Jahr arbeitet Jens Spahn, zusammen mit CDU, CSU und SPD an einem Gesetzesentwurf zum Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG, das zu Beginn Reha- und Intensivpflegestärkungsgesetz (RISG) hieß). Von Anfang an gab es heftigen Gegenwind und Proteste aus der Behindertenbewegung zum Gesetzesentwurf, der daraufhin nicht bloß äußerlich (anderer Name), sondern auch inhaltlich angepasst wurde. Allerdings nicht genug. Der am 02.07.2020 vom Bundestag beschlossene Entwurf weißt immer noch Unschärfen und Raum für Willkür auf und steht daher weiterhin in der Kritik von Aktivist:innen, Mediziner:innen und Politiker:innen.

Ziel des Gesetzes, laut Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums:

Intensiv-Pflegebedürftige sollen besser versorgt, Fehlanreize in der Intensivpflege beseitigt und die Selbstbestimmung der Betroffenen gestärkt werden. Außerdem soll der Zugang zur medizinischen Rehabilitation verbessert werden. Das sind die Ziele des „Gesetzes zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz, GKV-IPReG).
(https://www.bundesgesundheitsministerium.de/intensivpflegegesetz.html)

Das klingt ja erstmal gar nicht so schlecht. Was wird nun also genau kritisiert?

Recht auf Selbstbestimmung in Gefahr

Durch die im Gesetz festgelegte jährliche Überprüfung der Wohn- und Pflegeverhältnisse durch den medizinischen Dienst besteht für pflegebedürftige Menschen die berechtigte Angst den Wohnort nicht weiterhin selbst wählen zu können und zwangsweise ins Heim eingewiesen zu werden. Laut Gesetzestext entscheidet der medizinische Dienst während dieser jährlichen Überprüfung, ob „die medizinische und pflegerische Versorgung an diesem Ort tatsächlich und dauerhaft sichergestellt werden kann“ (aus dem Gesetztesentwurf § 37c (2)). Agiert wird dabei ausdrücklich im Auftrag der Krankenkassen und damit im Sinne der Kostenersparnis. Besonders Menschen, die ihre Pflege durch persönliche Assistenz im eigenen Zuhause organisieren sehen ihre Selbstbestimmung in Gefahr. Die „Erfahrung, dass die Interessen von Menschen mit Beeinträchtigungen und chronischen Krankheiten dabei nicht wirklich interessierten, hätte jeder und jede von ihnen bereits gemacht.“, so Laura Merch vom Blog „Projekt Leben“.
Siehe dazu auch die Petition „Kein Heimzwang für Pflegebedürftige!

Vage Formulierung von „Wünschen“

Im Entwurf steht, dass den Wünschen Versicherter nach dem bevorzugten Ort der Pfleg – also ob zuhause, bei Familie oder in einer Pflegeeinrichtung zu entsprechen sei. Allerdings nur, wenn der Ort die oben genannte Prüfung des medizinischen Dienstes besteht. Diese vage Formulierung wird besonders kritisiert. Wie genau die Kriterien für einen geeigneten Ort aussehen, soll der Gemeinsame Bundesausschuss bis Dezember 2021 in den Richtlinien für die Umsetzung des Gesetzes entwickeln.

Eigentliches Ziel des Gesetzes verfehlt

Eigentliches Ziel des Gesetzes von Jens Spahn war es, kriminelle Machenschaften in der außerklinischen Betreuung zu unterbinden oder zumindest die Anreize dafür zu schmälern. Dass dabei nun ein Gesetzt entstanden ist, dass die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen in Gefahr bringt, ist nicht hinnehmbar.

Wir solidarisieren uns mit den Forderungen der Behindertenbewegung nach Überarbeitung des Gesetzes. Für Menschenrechte, Teilhabe und Inklusion für alle!

Quellen/zum Weiterlesen: