Pressemitteilung des „What-The-Fuck?!“-Bündnisses 08.02.2021
Seit November 2020 finden vor dem Amtsgericht Berlin die ersten Verfahren gegen queer-feministische Aktivist:innen statt. Insgesamt sind über 100 Personen angezeigt worden. Ihnen wird „Nötigung“ vorgeworfen, weil sie sich 2019 an einer Sitzblockade beteiligt haben. Die friedliche Sitzblockade war Teil der Proteste gegen eine Veranstaltung von christlichen FundamentalistInnen und anderen AntifeministInnen.
Als selbsternannte „Lebensschützer“ fordern diese ein vollständiges Abtreibungsverbot, setzen Schwangere vor Beratungsstellen und Kliniken unter Druck und terrorisieren Ärzt:innen, die Abbrüche durchführen oder darüber informieren wollen. Jedes Jahr im September organisieren sie in Berlin den sog. „Marsch für das Leben“ (MfdL). Der MfdL ist das größte Event der „Lebensschützer“ in Deutschland, im Schnitt mit 5000 Teilnehmenden und Onlineübertragung. Die radikalen AbtreibungsgegnerInnen vertreten ein sexistisches und queerfeindliches Gesellschaftsbild und setzen sich auch gegen Sexualaufklärung an Schulen ein.
„Die Kosten für Anwält:innen sowie die Gerichtskosten müssen die meisten Angeklagten selbst tragen. Das Bündnis „What-the-Fuck?!“, das die Angeklagten unterstützt und Spenden sammelt, rechnet mit rund 1.000 Euro pro Person – zusammen eine Summe im hohen fünfstelligen Bereich“, erklärt Lili Kramer, Pressesprecher:in des „What-the-Fuck?!“-Bündnisses.
Dem Bündnis sind knapp 30 Verhandlungen bekannt, die bereits stattgefunden haben. In den bisher gesprochenen Urteilen zeigt sich eine unklare Rechtslage. Neben vielen Einstellungen mit der Auflage einer Geldstrafe zwischen 100€ und 600€, wenigen Verurteilungen gab es auch eine Einstellung ohne Auflagen. Bisher gibt es drei Verurteilungen. Zwei davon, weil die Angeklagten die Auflagen zur Einstellung nicht akzeptierten. Sie gehen in Berufung, um juristisch klarzustellen, dass eine friedliche Sitzblockade nicht als Gewalt eingestuft werden kann. Die dritte Verurteilung wurden wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz gefällt. Der Richter sah den Tatbestand der Nötigung nicht vorliegen. Das liegt unter anderem daran, dass es unterschiedliche Auffassungen zum Tatbestand der Nötigung gibt. Besonders die sogenannte „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofes stößt bei vielen Anwält:innen auf Kritik. In der Berliner Praxis wird der Paragraph normalerweise nur bei „schweren Vergehen“, zum Beispiel im Bereich der organisierten Kriminalität, angewandt.
Ursprünglich wurden die Verfahren von Oberstaatsanwalt Fenner angeordnet. Fenner war Leiter der Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft und für politisch motivierte Straftaten zuständig. Fenner geriet im Sommer 2020 in die Kritik, da aufgedeckt wurde, dass er und ein anderer Berliner Staatsanwalt gezielt die Ermittlungen zur rassistischen Neuköllner Anschlagsserie behindern wollten. Fenner hatte zu Beginn der Prozesse gegen die queer-feministischen Aktivist:innen die Anordnung getroffen, dass Einzelverfahren zu führen sind. Er veranlasste zudem, dass (linke) politische Verfahren nicht eingestellt werden dürften. Nach seiner Versetzung wird nun zumindest diese Möglichkeit von Richter:innen und Staatsanwält:innen in Betracht gezogen.
Das „What-the Fuck?!“-Bündnis solidarisiert sich mit allen Personen, die angeklagt sind und unterstützt die Betroffenen finanziell. Dafür wurde Ende letzter Wochen eine Spenden-Kampagne gestartet, die sehr erfolgreich angelaufen ist: http://betterplace.me/feminismus-ist-kein-verbrechen
„Wir stellen uns klar gegen die Kriminalisierung von Abtreibung und feministischem Protest und werden diese Forderungen auch vor dem Gericht vertreten. Feminism is not a crime!“, so Pressesprecher:in des „What-the-Fuck-Bündnisses?!“ Lili Kramer.