Die Errungenschaften des Feminismus seit den Anfängen der Aufklärung sind uns in Deutschland allgegenwärtig – Frauen* wählen Frauen in höchste Regierungsämter, Vergewaltigung in der Ehe ist strafbar, Frauen dürfen sich ohne Erlaubnis ihres Ehemannes in ausbeuterische Lohnarbeit begeben und vieles mehr.
Die scheinbare gesellschaftliche Anerkennung für feministische Kämpfe geht so weit, dass frau in jedem zweiten bekannten Bekleidungsdiscounter neben den „Bauch-weg“-Höschen nun auch Shirts mit Aufdrucken wie „Girl Power“ oder „Feminism“ erwerben kann. Hochglanz-Zeitschriften titeln mit Erfolgsgeschichten von Firmenchefinnen und Politikerinnen, eine Biermarke feiert auf riesigen Werbebannern den „Väterinnentag“. Schöne neue Welt – so mag es der bürgerlichen „Feministin“ vorkommen – der kaufbare Feminismus, eine Liebesgeschichte des Kapitalismus.
Währenddessen erstarken antifeministische Positionen innerhalb dieser ach so schönen neuen Welt und vereinen extreme Rechte, fundamentale Religionsanhänger*innen und die konservative, bürgerliche Mitte zu einem sexistischen Mob, der kein Halten kennt. So treffen sie beispielsweise bei Demonstrationen „gegen Frühsexualisierung unserer Kinder“ oder dem „Marsch für das Leben“ und ähnlichen Veranstaltungen aufeinander.
Die Motive mögen unterschiedlich sein – vom Glauben an die völkisch-nationale Ordnung über die gottgewollte Geschlechterhierarchie bis hin zum Traditionalismus und Biologismus – im Antifeminismus finden sie wieder zusammen.
Die Akteur*innen wenden sich gegen Positionen des Feminismus bzw des sogenannten „Genderismus“1, indem sie alternative Rollen-und Familienbilder2 ablehnen, die Eignung von Frauen für hohe Positionen innerhalb von Politik und Gesellschaft infrage stellen bzw. verneinen, oder die vermeintlich inzwischen erreichte Unterlegenheit von Männern gegenüber Frauen* in der Gesellschaft und auf dem Lohnarbeitsmarkt beklagen und sich zu „Maskulisten“-Gruppen zusammenschließen.3 Der Feminismus dient hier als Feindbild, dem in verschwörungstheoretischer Manier die Schuld daran gegeben wird, an den Anforderungen kapitalistischer Verhältnisse zu scheitern.
Wenn sich – wie eingangs beschrieben – der marktfähige Feminismus in einer Liebesbeziehung zum Kapitalismus wiederfindet, agieren Antifeminist*innen dann antikapitalistisch? Mitnichten.
Der Kapitalismus bezeichnet nach Marx/Engels die „von der Herrschaft des Kapitals bedingten sozialen, politischen, rechtlichen und kulturellen Verhältnisse als Gesellschaftsordnung“ und ist in unserer Gesellschaft seit jeher patriarchal konstituiert.4 Daher findet sich in den allermeisten antifeministischen Positionen die patriarchal-kapitalistische Logik wieder.
Wenn gefordert wird, Frauen sollen sich zuforderst mit ihrer gesellschaftlichen Position als Mutter und Unterstützerin ihres arbeitenden Mannes identifizieren, kommt dies der kapitalistischen Verwertungslogik zugute. Das bedeutet nämlich, dass soziale Reproduktionsarbeiten – also die Versorgung der Kinder, die Pflege kranker Angehöriger, die Haushaltsarbeiten – im privaten und damit unbezahlten Bereich bleibt und die Kapitalproduktion nicht behindert sondern überhaupt erst ermöglicht wird.5
Wenn von Antifeminist*innen die Eignung von Frauen für bestimmte Arbeiten oder Positionen angezweifelt und die feministische Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ verneint wird, können Arbeitgeber*innen im kapitalistischen Ausbeutungssystem Gewinne maximieren, indem Frauen ein geringeres Gehalt gezahlt wird. Damit finden sich viele Frauen in einem doppelten Ausbeutungsverhältnis wieder – unbezahlte Sorge-Arbeit und schlechter bezahlte Lohnarbeit.
Und wenn Frauen Wertschätzung jenseits gesellschaftlich konstruierter Körper- und Schönheitsnormen abgesprochen wird, kann der kapitalistische Warenmarkt für Selbstoptimierungsprodukte boomen. Um neben Reproduktions- und Lohnarbeit auch noch schlank, schön und sexy zu sein, braucht frau vermeintlich die neuesten Mode- und Beautyprodukte, das Fitnessstudio und Diätprodukte, Selbsthilferatgeber und Lifestyle-Workshops.
Die wahre Liebesgeschichte erzählen uns also der Kapitalismus und der Antifeminismus bzw. das Patriarchat – nicht der konsumfähige Feminismus, die aufregende Affäre in dieser Ehe.
Daher gilt es, in linksradikalen feministischen Auseinandersetzungen stets auch den patriarchalen Kapitalismus mit in die Schusslinie zu nehmen und antifeministische Akteur*innen zu bekämpfen – von der extremen Rechten, über fundamentale Anhänger*innen jeglicher Religionen, bis hin zur konservativen, bürgerlichen Mitte.
Theorie, Kritik & Aktion | Berlin [TKA]
* In diesem Text werden die Bezeichnungen ,Mann‘ und ,Frau‘ sowie ,männlich‘ und ,weiblich‘ nicht verwendet um auf eine biologische Essenz zu verweisen, sondern um sie als Geschlechterkategorien zu verstehen, die gesellschaftsstrukturierende Wirkung haben. Auch wenn geschlechtliche Selbst- und Fremdzuschreibungen bis in psychische Tiefenschichten hinein ihre Wirkung entfalten, gehen Individuen niemals in diesen binären Zuschreibungen auf.
1 Der sogenannte „Genderismus“ ist der von national-konservativen Kreisen abwertend verwendete Begriff für feministische Strömungen aller Art.
2 Also alles, was ihrer Meinung nicht in das traditionelle Vater-Mutter-Kind Konzept passt
3 Siehe auch Veronika Kracher zu „Incels“ https://jungle.world/artikel/2019/01/gekraenkte-maennlichkeit
4 Empfehlung: http://audioarchiv.blogsport.de/2011/04/17/kapitalismus-und-patriarchat/
5 Buchempfehlung Silvia Federici : „Aufstand aus der Küche. Reproduktionsarbeit im globalen Kapitalismus und die unvollendete feministische Revolution“