Wer denkt, der Vortrag von Marie Vollbrecht wäre harmlos, hat ihn entweder nicht gehört (was an sich eine gute Entscheidung ist) oder ist der Kommunikationsstrategie der TERFs und Fundis aufgesessen.
Der Vortrag hätte im Rahmen der langen Nacht der Wissenschaft an der Humboldt Uni Berlin im Juli 2022 gehalten werden sollen, wurde dann aber seitens der Uni abgesagt, nachdem der AKJ kritische Jurist*innen eine Protestkundgebung angemeldet hatte. Die Kundgebung fand statt, ebenso der Vortrag – allerdings über den Youtube-Kanal einer TERF-Aktivistin.
In Minute 36 beklagt Vollbrecht: „Wenn ich jetzt erstmal zu jedem Menschen hingehen muss und erstmal checken muss, zu welchem Geschlecht er gehört, dann wird der Fortpflanzungserfolg einfach runter reguliert.“
Das ist erstens an Heteronormativität kaum zu überbieten und ist zweitens anschlussfähig für die von Rechten bemühte These der „Degeneration“ durch queere Lebensformen. Mehr dazu findet ihr hier:
https://www.belltower.news/symbole-und-codes-queerfeindliche-narrative-und-dogwhistles-13423
Insofern nur folgerichtig, dass Vollbrecht von christlichen FundamentalistInnen gefeiert und die Absage des Vortrags mit der NS-Diktatur verglichen wird (Matthies ist ein rechter Abtreibungsgegner Vorsitzender der evangelischen Agentur „idea“).
Es bleibt allerdings ein Skandal, dass die rbb Abendschau und andere Medien den von AKJ angemeldeten Protest mit der faschistischen Bücherverbrennung gleichgesetzt haben.
Das Recht auf friedliche Versammlung ist ein Grundrecht und nichts anderes als eine solche Versammlung war angekündigt!
Vollbrecht tut weiterhin – ganz in TERF-Manier – so, als ginge es ihr um ein feministisches Anliegen:„Um der Frauen willen und um der guten Forschung willen, müssen wir darauf beharren, dass es bei der Forschung in der Biologie und der Medizin nur zwei Geschlechter gibt“ (Min 44).
Ein Feminismus, der marginalisierte geschlechtliche Identitäten nicht mitdenkt, ist kein Feminismus!
Um der guten Forschung willen und um für die Gesundheit aller sorgen zu können, müssen wir vielmehr anerkennen, dass es viele Geschlechter gibt! Fehlende Forschung auf dem Gebiet der Gesundheit von trans und inter Personen ist ein großes Problem!
Dass es nicht nur im Alltag, sondern auch in der Biologie mehr als zwei Geschlechter gibt, ist längst Stand der Forschung.
Heinz-Jürgen Voss hat vor Jahren im Tagesspiegel etwas allgemeinverständliches dazu geschrieben:
https://www.tagesspiegel.de/wissen/gender-in-der-biologie-es-gibt-mehr-als-zwei-geschlechter/13386730.html
Wer in der Wissenschaft arbeitet, aber diesen Paradigmenwechsel verschlafen hat, sollte nicht für die Lange Nacht der Humboldt Uni ausgewählt werden. Für den angekündigten Nachholtermin am 14.07. lassen sich sicher fachlich qualifizierte Expert*innen finden.
Vollbrecht geht im Vortrag auf den Sexualdimorphismus beim Menschen ein und behauptet: Die meisten könnten „anhand der Bewegung einschätzen, ob es sich um einen weiblichen oder einen männlichen Menschen handelt“ (Min. 40). Das sei wichtig für die Evolution…
Aber was dann?
Was, wenn die starre Vorstellung von „Frau“ oder „Mann“ nicht zu der Person passt, die einem außerhalb des Biologiebuchs begegnet? Dann kommt es leider noch viel zu oft zur queerfeindlicher Gewalt! Diese queerfeindliche Gewalt ist es, gegen die wir gemeinsam eintreten müssen!
Wenn Fundis oder TERFs von der angeblichen Aggression gegen ihre ach so harmlosen Vorträge schwadronieren, lenken sie ab von dem, was alltäglich auf der Straße passiert. Und auch davon, dass sie diese queerfeindliche Stimmung bewusst befeuern.