Sexuelle Dienstleistungen anbieten und eine ungewollte Schwangerschaft beenden – beides ist in Deutschland heute grundsätzlich möglich aber tabuisiert und stigmatisiert. Sowohl Sexarbeit als auch Schwangerschaftsabbrüche waren lange Zeit vollständig illegalisiert und sind noch heute mit Verboten, Zwängen und Hindernissen belegt. Dies trifft fast ausschließlich Frauen, Trans*, Inter* und nicht-binäre Personen.
Als „What-the-Fuck“-Bündnis sind wir seit Jahren solidarisch mit Sexarbeiter*innen. Das bringen wir in unseren Texten sowie bei Veranstaltungen, Aktionen und bei den Gegenprotesten für den „Marsch für das Leben“ zum Ausdruck. Wie Sexarbeit und reproduktive Rechte, so auch der legale Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, zusammenhängen, wollen wir hier noch einmal kurz aufzeigen:
Fuck your morals!
Im christlich geprägten Europa wurden und werden sowohl Schwangerschaftsabbrüche als auch Sexarbeit moralisch verurteilt und aus der Gesellschaft verdrängt. Bei Sexarbeit zeigte sich dies schon im Mittelalter durch die Vertreibung aus den ehrbaren Bereichen von Städten – vergleichbar mit heutigen Sperrzonen, in welchen Sexarbeit nicht durchgeführt werden darf. Moralische Verurteilung fand so in dem Entzug von Sichtbarkeit im Stadtraum eine Ausdrucksform, aber auch in der Annahme, dass Prostitution als „sittenwidrig“ angesehen wurde. Auch Schwangerschaftsabbrüche und die Diskussion darüber wird aus dem öffentlichen Raum gedrängt. So dürfen zum Beispiel Ärzt:innen nicht auf ihren Websiten darüber aufklären, wie sie Abbrüche durchführen, dies ist geregelt in §219a. Bis vor kurzem war Mediziner:innen noch nicht mal erlaubt überhaupt zu erwähnen, dass sie Abbrüche anbieten.
Beide Themen werden zudem als Angriff auf die imaginierte „Volks“-Gemeinschaft verstanden. Zugespitzt formuliert: Sex außerhalb des Ehebetts und die Weigerung Kinder zu Gebären verhindert, dass die vermeintliche Gemeinschaft weiter wächst. Die „Gefährlichkeit“ von Sexarbeiter_innen für die vermeintliche „Volkshygiene“ zeigt sich auch in dem 2017 eingeführten Prostituiertenschutzgesetz. Die dort verlangte zwangsweise Gesundheitsberatung, welcher sich Sexarbeiter*innen unterziehen müssen, schließt an die Zwangsuntersuchungen der 50er Jahre an, da davon ausgegangen wird und wurde, dass Menschen in der Sexarbeit häufig sexuell übertragbare Krankheiten verbreiten würden. Zwangsberatung erleben auch Menschen, die eine Schwangerschaft abbrechen möchten. Vor einem Schwangerschaftsabbruch ist so eine Beratung bindend. Aber dazu mehr im folgenden Abschnitt:
Fuck your laws!
Moralische Stigmatisierung und Bevormundung zeigt sich auch in staatlicher Regulation über Strafen. Sowohl Prostitution als auch Schwangerschaftsabbrüche sind im Strafgesetzbuch geregelt. Der §218 StGB bestimmt, dass Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich eine Straftat darstellen – und eine Freiheitsstraße bis zu drei Jahren nach sich ziehen können! Diese bleibt aber unter Umständen straffrei. Dazu gehört die Einhaltung einer Fristen-Regelung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt der Schwangerschaft sowie die Pflicht, eine Schwangerschaftskonfliktberatung vornehmen zu lassen.
Der §184f StGB beschreibt verbotene Prostitution an bestimmten Orten (wie die beschriebenen Sperrzonen) oder zu bestimmten Tageszeiten. Ein Verstoß dagegen kann mit einer Freiheitsstraße bis zu 6 Monaten bestraft werden.
Staatliche Regulierungsversuche treffen dabei besonders hart jene, die gesellschaftlich eh schon marginalisiert werden – queere Menschen, Personen mit Rasssismuserfahrungen, Migrant*innen und Menschen, die von Klassismus betroffen sind.
Innerhalb von Sexarbeit und Schwangerschaftsabbrüchen wird Menschen und vor allem Frauen, Trans* und nicht-binären Personen aberkannt, selbst darüber zu entscheiden, wie sie über ihre Körper verfügen. Hieraus spricht auch die Angst aus cis-männlicher Perspektive, dass „unkontrollierte“ weibliche und nicht-binäre Körper eine Bedrohung männlicher Macht darstellen: Sexarbeit und Schwangerschaftsabbrüche bedrohen das Patriarchat.
Fight for Feminism!
Feministische Kämpfe verbinden bedeutet für uns, keine Trennung zwischen moralisch vermeintlich „guten“ und „schlechten“ Feminismen vorzunehmen, sondern an der Seite jener zu stehen, deren freie Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt werden und die Repressionen durch den Staat ausgesetzt sind.
Feministische Kämpfe verbinden bedeutet für uns auch, differenzierte Positionen zu entwickeln und Dinge wie Selbstbestimmung immer in Bezug auf bestehende gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse wie z.B. Behindertenfeindlichkeit oder wirtschaftliche Ausbeutung mitzudiskutieren. Aber wir sind und bleiben solidarisch mit Kämpfen für Emanzipation und ein besseres Leben für uns alle.
Janntje von *aze, organisiert im What the fuck Bündnis