Sexarbeitsfeindlichkeit – Raus aus der Nische

Wie die Entsolidarisierung mit Sexarbeiter*innen Angriffe auf demokratische Rechte begünstigt

von Ruby Rebelde

Sexarbeitsfeindlichkeit wird häufig als Nischenthema angesehen und abgetan. Das ist gefährlich ist. Wieso? Angriffe auf Sexarbeitende sind Angriffe auf die demokratische Rechte ALLER.
Ich beobachte seit Langem eine breite Entsolidarisierung mit Sexarbeiter*innen. Entsolidarisierung bedeutet: Vielen Menschen sind Sexarbeiter*innenrechte nicht wichtig. Sie schauen weg, wenn white feminists (strafrechtsfeminist*innen) Sexarbeitenden Rechte absprechen oder beteiligen sich gar an solchen Ausschlüssen.
Eine solche Radikalisierung ebnet den Weg in Richtung Transfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und ermöglicht Angriffe auf sexuelle Selbstbestimmung und reproduktive Rechte.
Meint Ihr wirklich, dass es „nur“ Sexarbeitende trifft, wenn Länder die Kund*innenkriminalisierung einführen?
Bleibt Ihr dabei, wenn wie letztes Jahr in Deutschland darüber diskutiert wird Sexarbeit während der Schwangerschaft zu verbieten? Das ist naive, gefährliche Ignoranz.

Sexarbeitsfeindlichkeit ist eines der Einstiegsthemen für Antifeminismus und richtet sich damit gegen emanzipatorische Bewegungen per se.

Per se – also gegen ALLE emanzipatorischen Bewegungen.
In sexarbeitsfeindlichen Politiken und Diskursen ist sowohl Rassismus, Misogynie, Queerfeindlichkeit als auch Antisemitismus enthalten, neben Klassismus und Ableismus.
Diese intensive intersektionale Verschränkung macht Sexarbeitsfeindlichkeit derart anschlussfähig.
Seid ehrlich, ist doch total normal und breit akzeptiert Huren zu shamen, oder? Es ist nicht fringe (selten, abseitig), Sondergesetze zu Sexarbeit für was ganz Normales zu halten.

Wenige verstehen die Zusammenhänge zwischen Migrationsbegrenzung, reproduktiven Rechten und Sexarbeitsfeindlichkeit.

Jedes Mal,, wenn ein*e Sexarbeiter*in Diskriminierung oder systemische Repression erleidet, verschiebt das die Grenze des Sagbaren und politisch Machbaren.
Good news: Haben Sexarbeiter*innen Rechte oder wird ihre Diskriminierung bekämpft, so wirkt sich das auch positiv auf andere marginalisierte Gruppen aus.
Momentan sehen wir eine steile Welle der Transfeindlichkeit. Die Medien sind voll davon. Auch in den Wahlen in Italien und Schweden hat Queerfeindlichkeit eine Rolle gespielt. Ganz zu schweigen vom Attentat in Bratislava.
Diese trans- und queerfeindlichen Talking Points haben Publizist*innen und Politiker*innen vorher unter Eurer aller Nasen an Sexarbeiter*innen ausprobiert und hatten damit Erfolg. Gab kaum Widerspruch.
Ich sage nur: Kinderschutz, Schutz der Familie, Täter-Opfer-Umkehr – das ganze verdammte Programm. Verquickt werden diese Erzählungen mit: Wer ist in Deutschland willkommen, wer ist krank/gesund, wessen Menschen-Rechte werden nicht beachtet, „Flüchtlingskrise“, „Umvolkung“ – you name it!

Jubiläum „Appell gegen Prostitution“

2023 jährt sich der „Appell gegen Prostitution“ der EMMA zum 10. Mal. Damals schwappte eine Welle der Sexarbeitsfeindlichkeit durch die deutsche Gesellschaft. Die darauffolgenden Repressionen (Anmeldepflicht, wackelige Finanzen für Projekte im Kontext Sexarbeit, ProstSchG) gegen Sexarbeiter*innen müssen im direkten Zusammenhang damit betrachtet werden.
Ich bitte Euch: Gebt Eure Naivität wegen „Nische“ +“egal“ auf, denn sonst werft ihr unsere trans Geschwister vor den gleichen Bus der gesellschaftlichen Radikalisierung werft, vor dem seit langem Sex Worker landen. 🙏

Den Beitrag hat Ruby im OKtober 2022 bei tweitter gepostet. Und uns anschließend zur Verfügung gestellt. Link zum Twitter-Thread  @KF_SW_aktivism