Seit Juli 2022 ist der sogenannte nicht-invasive Pränataltest (NIPT) auf Trisomie 13, 18 und 21 nun Kassenleistung – Behindertenrechtsaktivist*innen und Elternverbände haben lange und hart gegen diesen Schritt gekämpft. Der Bundestag hat diesen Schritt trotzdem ohne größere Debatte durchgewunken.
Immer wieder war betont worden, dass der NIPT nicht zu einer Reihenuntersuchung auf Trisomie 21 werden dürfe (die beiden anderen Trisomien sind sehr viel seltener UND besser im Ultraschall zu erkennen). Genau das scheint aber zu passieren.
Die Kriterien für die Kassenübernahme sind derartig schwammig formuliert, dass sie beinahe immer zutreffend sind: es reicht, wenn die schwangere Person besorgt ist und gemeinsam mit demder behandelnden Ärztin beschließt, dass der Test für sie sinnvoll ist.
Dass die Krankenkasse den Test übernimmt, hat auch eine normative Wirkung – Schwangere verstehen ihn als Teil der Regelleistungen in der Schwangerschaftsbegleitung und glauben, sie sollten diesen Test auch machen.
Ein Argument, das in der Bundestagsdebatte immer wieder vorgebracht wurde, war dass eine Kassenzulassung sozial gerechter sei.
Aber nur weil der Test jetzt für alle finanziell zugänglich ist, heißt das nicht, dass Schwangere jetzt mehr Entscheidungsfreiheit besäßen. Tatsächlich wissen wir aus Ländern, in denen der NIPT schon länger Kassenleistung ist, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für Inklusionsmaßnahmen mit der freien Verfügbarkeit der Tests abnimmt – das Leben mit einem behinderten Kind wird also schwieriger, insbesondere für Menschen, die fehlende staatliche Unterstützung nicht durch eigene finanzielle Ressourcen ausgleichen können.
Tatsächlich ist der Bevölkerungsanteil von Menschen mit Trisomie 21 schon jetzt in Europa nur halb so groß, wie er ohne selektive Abtreibungen wäre. In Deutschland werden 9 von 10 Föten mit einem Trismoie 21 Verdacht abgetrieben. Wir erleben also eine zunehmende Entnormalisierung von Behinderungen.
Der NIPT ist theoretisch auf eine Vielzahl genetischer Normabweichungen ausweitbar, es braucht dringend eine Überprüfung der Zulassungsverfahren für solche Tests und eine wissenschaftliche Auswertung der Folgen der Kassenzulassung. Die Entscheidung ist nicht unumkehrbar!
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Einen weiteren Beitrag von uns zum Thema Pränataldiagnostik und Abtreibung findet ihr hier: Selektion durch Pränataldiagnostik – What the fuck!?